Was ist Rollenspiel?

Lauschen wir dem Dialog eines einsamen Spielleiters (im Folgenden: "L"), der Mitspieler für seine Spielgruppe sucht und in seiner Verzweiflung einen jener Spaßvögel (kurz: "S" genannt) angesprochen hat, denen es Freude bereitet, andere zu misverstehen.

S:
Was ist das: Rollenspiel?
L:
Kurz gesagt: es ist ein Spiel, bei dem jeder Mitspieler eine bestimmte Rolle übernimmt.
S:
Ach was?! Und das bedeutet ... was gleich noch mal?
L:
Puh! Naja, genau das: jemand übernimmt die Rolle einer echten oder fiktiven Person und handelt als diese.
S:
Ach, Theater!
L:
Nein! - Also, ja doch, Theater ist eine Art Rollenspiel. Aber nicht das Rollenspiel, das ich meine. Wir spielen es zu Hause. Mal bei dem Einen, mal bei dem Anderen. Es geht darum, Abenteuer zu erleben.
S:
(mit Augenzwinkern) Verstehe. Soo ein Rollenspiel also.
L:
Aber nein! Mit Sex hat das nichts zu tun. Meine Kinder spielen es ja auch schon, und die haben mit Sex ja nun wirklich nichts am Hut.
S:
Ich dachte, die säßen nur am Computer?
L:
Ja klar, Computerrollenspiele gibt es auch. Aber da gibt's fast immer nur Krieger.
S:
Wo Du es gerade erwähnst: Kollege Krieger - Du weißt schon, der Markus - der war neulich auf einem Seminar. Und ich glaube, er hat was von Rollenspiel erzählt. Na, Du kennst ihn ja, der war schon immer ein bisschen abgedreht.
L:
(schon leicht genervt) Ja, ja, es werden auch Rollenspiele in Seminaren eingesetzt, um ihren Teilnehmern bestimmte Dinge zu vermitteln. Das ist aber auch nicht das, was ich meine. Es ist ein bloßer Zeitvertreib.
S:
Sowas wie ein Brettspiel also?

Rollenspiel ist Kopfkino

L:
(etwas erleichtert) Naja, es gibt schon Bodenpläne, auf denen man Figuren hin und her bewegt. Und Kämpfe und all sowas, aber Rollenspiel ist mehr. Es ist wie ... wie ...
F:
... wie ein Film oder Roman, in den man selbst eingreifen kann. Zusammen erzählt man eine Geschichte, in die jeder eingreifen kann und die sich in den Köpfen ihrer Mitspieler abspielt. Man reist an fremde Orte, besteht Gefahren, rettet Unschuldigen das Leben und findet reiche Schätze.
S:
(indigniert) Also das ist nichts für mich!

Aus! Aus, es reicht! Solche Dialoge habe ich so oder so ähnlich schon mehr als einmal miterleben müssen.

Immerhin, nachdem wir viel darüber erfahren haben, was "unser" Rollenspiel alles nicht ist, kam zum Glück F dazu, ein Fan des Rollenspiels, und hat uns wenigstens ein paar Dinge erzählt, die Rollenspiel tatsächlich ausmachen: es ist kooperativ; es ist eine Geschichte, die zusammen erzählt wird; es ist Kopfkino.

Facetten

Es gibt einige Brettspiele, die Anklänge an das Rollenspiel liefern und wo jeder Spieler in eine bestimmte Rolle schlüpft. Meist bewegt man sich dabei in einer Fantasy-Welt und muss entweder allein oder zusammen irgendeine größere Aufgabe vollbringen. Gelegentlich muss man im Spiel Gimmicks wie Ausrüstung, Erfahrung und Begleiter sammeln, damit man der Hauptaufgabe überhaupt erst gewachsen ist.

Sogenannte Konflikt-Simulationen (kurz: KoSims) bilden eine Gattung von Brettspielen, deren Gegenstand Kämpfe aller Größenordnung und Couleur sind. Die Palette reicht von Skirmish (eine Handvoll einzelner Kämpfer gegen eine andere) bis hin zu großen Raumschlachten, bei denen gar nicht mal einzelne Raumschiffe sondern Raumschiffverbände als Ganzes gesteuert werden. Da derart epische Schlachten in Rollenspielwelten keine Seltenheit sind, lautet die entscheidene Frage nicht ob, sondern wie man sie ins Spielgeschehen einflicht.

Es gibt auch eine ganze Menge an Computerspielen, die sich als Rollenspiele bezeichnen. Entweder steuert man dabei einen einzelnen Charakter oder eine ganze Gruppe durch die Spielwelt. Man interagiert mit anderen Bewohnern dieser Spielwelt, kämpft gegen Monster und Bösewichte, sammelt auch hier Erfahrung und Ausrüstung um dann am Schluss den Endgegner zu besiegen.

Auch unter den Computerspielen gibt es eine Ausprägung, die für das Rollenspiel auszuschlachten sich lohnen könnte: die strategische Aufbausimulation. Es gibt eine ganze Reihe Klassiker in diesem Feld. Der besondere Reiz davon ist die Fortentwicklung der Historie in der Spielwelt. Es gilt Land zu entdecken und zu erobern, Gebäude und Städte zu errichten, Forschung zu betreiben, diplomatische Beziehungen zu pflegen und Kriege auszufechten.

Brett- und Computerspiele haben den Vorteil, dass man sehr schnell beginnen kann und in begrenzter Zeit fertig wird. Gerade am Computer wird man oft vom Flair der Spielwelt überwältigt. Leider ist es in beiden Fällen so, dass die Handlungsmöglichkeiten mehr oder weniger stark eingeschränkt sind. Das ist beim Tischrollenspiel ein bisschen anders.

Literatur ist eine große Quelle für Rollenspieler. Was wäre das Rollenspiel ohne Tolkiens "Der Herr Ringe", ohne die Sagen, Mythen und Legenden der Ägypter, Griechen, Römer und anderer Kulturen, um nur die Wichtigsten zu nennen? Aber es gibt nicht nur Romane zu lesen, sondern auch Abenteuer, die als "Solos", "Soloabenteuer", "Abenteuer"- oder "Fantasy-Spielbücher" bekannt sind. Damit kann man die Handlung der Geschichte im Buches beeinflussen.

Bei dieser Art von Gesellschaftsspiel, also beim (Tisch-)Rollenspiel, geht es in erster Linie darum, das Abenteuer im Kopf zu erleben. Mit Freunden sitzt man beisammen, beschreibt die eigenen Handlungen und hört, was andere tun und wie sich die Umwelt jeder Änderung anpasst. Ähnlich wie bei einem Hörspiel entstehen die Bilder dazu im Kopf und man bekommt den "Duft" des Abenteuers in die Nase. Die fünf Orks da, hinter dem Strauch, sind für mich allein zu stark, aber wenn Alexa, unsere Elfe, Einen mit dem Bogen in Schach hält und der Magier einen Zweiten mit einem Bann belegt, dann können die beiden Zwerge und ich die verbliebenen Drei in die Knie zwingen. Stell Dir die Szene bildlich vor! Vielleicht inspiriert von den Herr-Der-Ringe Filmen oder von den World-Of-Warcraft Darstellungen oder von anderen Bildern aus Spielen und Filmen, die Du magst. Spürst Du dann nicht auch ein leichtes Kribbeln in der Magengegend, den Schweiß und den Griff eines Schwertes in Deiner Handfläche?

Zutaten

Nachdem ich also ungefähr umrissen habe, was man bei einem Rollenspiel überhaupt macht, will ich mal sehen, was man dafür braucht. Außer den Mitspielern braucht jedes Gesellschaftsspiel ein Regelwerk. Damit für Spannung gesorgt ist, brauchst Du noch Kollege Zufall, am besten in Form von Würfeln. Ein Satz Spielkarten, denen man Würfelwerte zuordnen kann, tut's beispielsweise auch. Von einem Roulettrad möchte ich aber doch abraten - zu umständlich und wenig flexibel. Feinheiten werden in den Regeln unter Würfel besprochen. Zusätzlich benötigst Du noch etwas Papier und Bleistift, eine Athmosphäre, in der man der Phantasie freien Lauf lassen kann und weiter nichts.

So, nun hast Du alles beieinander: die Regeln, Würfel und Schreibzeug. Du hast für eine Angenehme Stimmung gesorgt und deine Mitspieler eingeladen. Du weißt sogar, was man bei einem Rollenspiel macht. Aber mal Hand aufs Herz: wie jetzt genau gespielt wird weißt Du womöglich immer noch nicht, oder?

Rollenverteilung

Sehen wir mal, wie denn überhaupt die Rollenverteilung aussieht, und bedienen wir uns dabei beim Theater. Zunächst muß der Regisseur das Stück auswählen. Also muß einer der Spieler die Rolle des Regisseurs übernehmen. Das ist die wichtigste Rolle überhaupt, denn nur der Regisseur kennt das Stück und weiß, wie sich die Spielwelt verhält. Wenn dieses Wissen den restlichen Spielern auch schon vorher bekannt wäre, dann wäre die Spannung weg. Der Regisseur wählt also ein Stück aus, bei uns nennt man das ein "Abenteuer", ein "Szenario" oder eine "Kampagne". Er kann das Abenteuer oder die Kampangne auch selbst schreiben. Den Regisseur bezeichnen wir im Folgenden als Spielleiter oder kurz SL.

Die übrigen Mitspieler legen sich anhand der Regeln eine Rolle zurecht, und dann kann's losgehen. "Aber wie?" lautet jetzt die berechtigte Frage. Nun, der Spielleiter beginnt damit, die Situation zu beschreiben. Beispielsweise sind die Helden in einer Kneipe versammelt. Wenn es etwas gibt, das ein Spieler tun möchte, dann sagt er es. Zum Beispiel möchte einer mit den Leuten am Nachbartisch Karten spielen, um sich etwas Kleingeld zu verdienen. Der SL, der alle Rollen spielt, die nicht von Spielern eingenommen werden, entscheidet nun, ob das Vorhaben gelingt. Sobald es Zeit für eine neue Situation ist, beschreibt der SL diese und die Spieler lassen ihre Charaktere entsprechend reagieren. Der ganze weitere Spielverlauf entwickelt sich nach diesem Schema.

Weiteres Material

Mir ist natürlich bewußt, daß immer noch nicht ganz klar ist, wie man Rollenspiel spielt, aber noch besser erklären kann es nur ein Beispiel. Daher habe ich die Beispiele, die später im Regelbuch zu finden sind, so gewählt, daß sie mit verteilten Rollen gelesen werden können. Zusätzlich habe ich die - hoffentlich hilfreiche - Präsentation "Wie geht Rollenspiel?" erstellt (Feedback erwünscht).

Eine wichtige Sache möchte ich aber unbedingt noch erwähnen: nämlich LARP. Das ist eine Abkürzug, die für Live Action RolePlay steht. Und LARP bedeutet, dass die Spieler nicht wie bei Pen-and-Paper- (oder Tisch-) Rollenspiel müßig im Wohnzimmer rumhocken und sich Junk Food hinter die Krawatte pressen. Oh nein, das sind die richtig harten Jungs und Mädels, die bei Wind und Wetter in voller Kostümierung durch die Wälder streifen und ihre Kämpfe quasi-real austragen. Mit "quasi-real" meine ich, dass sie tatsächlich mit Axt und Schwert aufeinander losgehen. Nur, dass diese Waffen soweit entschärft sind, dass keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben davon ausgeht. Es gibt einen tollen Kurzfilm zu dem Thema, wo man eine ganz gute Vorstellung von LARP bekommen kann: Ravioli Ritter.

Gut gespielt ist das bestimmt ein großartiges Erlebnis ist. Allein, ich bin zu feige dafür, aber wenn Dir danach ist, dann probiere es aus!

Und wo ich gerade bei Geständnissen bin: auf einer Rollenspiel-Convention (kurz: Con) war ich auch noch nie. Auf einem Con treffen sich Spieler, Spielleiter und Macher zum Erfahrungsaustausch, Neuigkeiten vorstellen und natürlich auch zum Spielen.

So, das Wichtigste müsste ich jetzt alles erwähnt haben. Wenn Du gerne selbst einmal ein Rollenspiel spielen möchtest, kannst Du jetzt in die Beginner-Regeln einsteigen oder in Wikipedia weiterführende Literatur zu Pen & Paper Rollenspiel und Tabletop genießen.

Weiterführende Literatur
LinkBeschreibung
Beginner-RegelnDie Dimensionswandler-Regeln, die für den Einstieg ins Rollenspiel gedacht sind.
Live Action RolePlayEin Wikipedia-Artikel zum Thema LARP, auch wenn sich der Dimensionswandler nicht um dieses Thema kümmern möchte.
Pen & Paper RollenspielEin Wikipedia-Artikel zu Pen and Paper Rollenspiel.
Ravioli RitterEin Kurzfilm, der LARP thematisiert.
RollenspielEin weiterer Wikipedia-Artikel zu diesem Thema.
TabletopEin Wikipedia-Artikel zu Tabletop-Spielen.
Was ist Rollenspiel, Drosi?Der Deutsche Rollenspiel-Index (kurz: drosi) versucht sich mit einer Definition. Es ist auch die Entwicklungsgeschichte des Rollenspiels dabei.
Wie geht Rollenspiel?Eine PowerPoint-Präsentation darüber, wie Rollenspiel gespielt wird.
WürfelWürfel sind eines der wichtigsten Werkzeuge im Rollenspiel oder auch im Spiel allgemein.